Ist die Grundschule ein Ort ohne Physik? Richtig ist wohl: Die Physik mit ihren Verbindungen zur Lebenswirklichkeit der Grundschülerinnen und Grundschüler kommt im Sachunterricht der Grundschule häufig zu kurz.

Fehlender Mut und auch mangelnde Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte führen zu „Physik-Vermeidungsstrategien“, die für Grundschülerinnen und Grundschüler folgenschwer und leider überall zu beobachten sind. Manchmal fehlen auch nur Anregungen und das geeignete Experimentiermaterial.

Es stellt sich die Frage nach geeigneten Maßnahmen, die den Grundschulen
und ihren Lehrkräften helfen können, den Forscherdrang der Schülerinnen und Schüler zu fördern, ohne sie dabei zu belehren oder lediglich physikalische Strohfeuer und Eintagsfliegen zu produzieren.

Die Grundschule – ein Ort der Neugier in einer Welt voller Fragen

Von A. Einstein wissen wir: „Neugier ist ein verletzliches Pflänzchen, das nicht nur Anregung, sondern vor allem Freiheit braucht.“ Hiervon ausgehend wurde das niedersächsische Grundschulprojekt „Physik für helle Köpfe“ entwickelt, mit dem bei den Grundschülerinnen und Grundschülern vorhandene Neugier auf die Phänomene der Physik zu lenken, sie aufzugreifen und zu erhalten sowie das Interesse und die Begeisterung für Technik bereits im Grundschulalter zu wecken verfolgt wird. Dabei geht es insbesondere um die Verknüpfung von Lern- und Experimentiermöglichkeiten in unterschiedlichen Umfeldern im Sinne von Albert Einstein.

Künftig werden mehr denn je Menschen gebraucht, die sich für die Physik begeistern können und dabei auch ihre Lust auf den Lehrerberuf entdecken. Diese „Naturtalente“ im doppelten Sinn müssen sich frühzeitig entwickeln können und bis zur Universität über alle Bildungseinrichtungen erhalten und gefördert werden. Indem neue Formen der Begegnung mit naturwissenschaftlichen Phänomenen den „Raum für Entdeckungen“ schaffen, kann dem mittlerweile überholten Bild der Lehrerrolle entgegengewirkt werden:

Die erfolgreiche Lehrkraft lässt vorrangig den Stolz der Schülerinnen und Schüler auf das selbst durchgeführte und dabei geglückte naturwissenschaftliche Experiment wachsen, ohne sie gut gemeint zu belehren.

Der Versuch macht klug

Grundschülerinnen und Grundschüler sind neugierig. Sie wollen die Welt verstehen. Wir können ihnen dabei ganz entscheidend helfen, indem wir ihnen mit den „Augen der Physik“ faszinierende Einsichten in unsere Welt verschaffen. Hierbei kommt es besonders auf die Botschaften und die Botschafter an: Diese Menschen sind letztlich als Vorbilder die entscheidenden „Katalysatoren“, die Neugier wecken.

Gerade das Einstein-Jahr bot einen idealen Anlass, Grundschülerinnen und Grundschülern einen interessanten Einblick in die Naturwissenschaften und die Technik zu ermöglichen. In diesem Kontext ist das Licht der Brückenschlag zwischen den Phänomenen und der Technik schlechthin – ganz zu schweigen von den experimentellen Möglichkeiten, die das Licht bietet.

Vorerfahrungen mit einem Pilotprojekt des Gymnasiums Raabeschule, Braunschweig, und mit den Projekten „Faszination Licht – Einblicke in die Zukunft“ im Braunschweigischen Landesmuseum sowie der Kinder-Uni Braunschweig- Wolfsburg haben insbesondere das außerordentlich große Interesse der achtbis zehnjährigen Grundschülerinnen und Grundschüler an spannenden Experimenten deutlich werden lassen.

Um dieser Neugier der Grundschülerinnen und Grundschüler und ihrem Wunsch nach experimenteller Eigentätigkeit Rechnung tragen zu können, wurden Schülerinnen und Schüler ausgewählter Gymnasien und Gesamtschulen Grundschulklassen aus ihrem Einzugsbereich bei der Durchführung spannender Kleingruppenexperimente betreut.

Insbesondere Schülerinnen und Schüler des 9. und 10. Jahrgangs eigenen sich hier als Vermittler aufgrund ihrer „Nähe zum Nachwuchs“ nach entsprechender Vorbereitung durch ihre Physik-Lehrkräfte:

  • Grundschülerinnen und Grundschüler und ihre Lehrkräfte erhalten neue Anregungen aus den Bereichen Physik und Technik.
  • Das Projekt bietet ein hervorragendes Erfahrungsfeld zur Verbesserung der Präsentations- und sachbezogenen Kommunikationskompetenz für die betreuenden Schüler und dient somit auch der Gewinnung von Lehrer- Nachwuchs für das Fach Physik.
  • Lehrkräfte der beteiligten Schulformen können sich durch gemeinsame Projektarbeit gegenseitig anregen und gewinnen Einblicke über „Jahrgangsgrenzen“ hinweg.

Was können die teilnehmenden Schulen vom Projekt-Partner erwarten?

Das Niedersächsische Kultusministerium unterstützt dieses Projekt in Form der fachdidaktischen Begleitung. Die Realisierung wird finanziert und begleitet durch die Stiftung NiedersachsenMetall, den Verband der Metall und Elektroin- dustrie Osnabrück-Emsland e.V. und den Verband des Metallindustriellen des nordwestlichen Niedersachsens e. V. in den jeweiligen Zuständigkeitsgebieten.
Für ausgewählte Gymnasien und Gesamtschulen wurden jeweils Schülersets im Umfang eines Klassensatzes mit Optik-Experimentiermaterial kostenlos zur Verfügung gestellt. Dieses wurde bereits während der Pilotphase zu diesem Projekt von der Raabeschule in Braunschweig entwickelt und erprobt. Durch eine fachdidaktische und operative Beratung seitens der Projektleitung wird die Umsetzung dieses Projekts in den einzelnen Regionen unterstützt.
Zur optimalen Hardware-Nutzung können sich auch regionale Schulpartner- schaften bilden, die die zur Verfügung gestellten Schülersets gemeinsam nut- zen, um in Absprache mit den Grundschulen ihrer Region zeitversetzt zu arbei- ten.

Im Rahmen von Workshops in Hannover wurden die betreuenden Lehrkräfte der ausgewählten Gymnasien und Gesamtschulen über die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt in Braunschweig informiert und mit Hilfe der betreuenden Raabeschüler in die Experimente mit den Schülersets eingewiesen.
Die Lehrkräfte können über das entstehende Netz der beteiligten Schulen Pro- jekterfahrungen austauschen sowie nach Abschluss der ersten Projektphase ihre Erfahrungen im Rahmen einer Tagung mit einem Ausblick auf die weitere Arbeit vorstellen und diskutieren.
Die Projektträger kommunizieren die Projektergebnisse und fördern darüber die inhaltliche und methodische Vielfalt im kommenden Schuljahr.

Was wird von den teilnehmenden Schulen erwartet?

Die teilnehmenden Schulen verpflichten sich, Grundschulen ihres Einzugsbe- reichs über das Projekt zu informieren. Jede Projektschule gewinnt mehrere Grundschulen ihres Einzugsbereichs für ihr Projekt. Es empfiehlt sich, nicht mehr als acht Grundschulen einzubinden. Die Projektschulen benennen eine Projektleitung und eine weitere Fachlehrkraft als Ansprechpartner.
Es muss zunächst das Ziel der Konzeptentwicklung in den jeweiligen weiterfüh- renden Projektschulen sein, für „ihre“ Grundschulen aufbauend auf den vor- entwickelten Experimenten ein passendes Angebot zu erstellen und umzuset- zen. Mögliche experimentelle Erweiterungen sollten aber nicht den Themenbe- zug verlieren. Dabei soll der Anteil des selbstbestimmten freien Experimentierens seitens der Grundschülerinnen und Grundschüler hinreichend berücksich- tigt werden.

Aus dem 9. oder 10. Jahrgang sollten sich circa 25 Schülerinnen und Schüler als „Betreuer“ und „Vorbilder“ für die Grundschülerinnen und Grundschüler zur Verfügung stellen. Um diese Betreuung jederzeit zu gewährleisten und einer zeitlichen Überforderung zu begegnen, wird jede Betreuungsaufgabe mehrfach besetzt. Für eine Grundschulklasse werden etwa sechs Betreuer benötigt. Die Experimente mit den Schülersets werden in den Fachräumen der jeweiligen weiterführenden Projektschule durchgeführt.
Jede Grundschulklasse sollte nach Möglichkeit zusammen mit ihrer Lehrkraft zu zwei einzelnen Experimentiereinheiten in der weiterführenden Schule einge- laden werden. Zusätzlich können von den Projekt-Schulen besonders interes- sierten Grundschülerinnen und Grundschülern zusammen mit ihren Eltern am Nachmittag weitere themenverwandte Experimentiermöglichkeiten angeboten
werden. Eine informative und zugleich abwechslungsreiche Projektdokumentation ermöglicht einen besseren Austausch zwischen den beteiligten Projekt- schulen.

Die bisherige Entwicklung macht neugierig

Des Thema Akustik bietet sich idealerweise für eine Projekterweiterung an. Die Augen und die Ohren sind unsere „menschlichen Einfallstore“ schlechthin. Der Gefahr einer Vorwegnahme von Unterrichtsinhalten kann auf diese Weise er- folgreich begegnet werden.
Es wird zurzeit die Erweiterung dieses Projekts auf weitere Schulen vorge- nommen. Die Ausweitung einer finanziellen Förderung ist aus heutiger Sicht möglich, da diese in besonderer Weise das Projekt „Physik für helle Köpfe“ mit den beschriebenen Zielen stärken und

  • zur Entwicklung einer zeitgemäßen Lern- und Kooperationskultur inner- und außerhalb von Schule,
  • zur Entwicklung eines originellen und motivierenden Sachunterrichts,
  • zur Frühförderung des physikalischen Denkens und
  • zu einer ersten Vermittlung von Zusammenhängen zwischen den physikalischen Phänomenen und den im Alltag erfahrbaren Technologien beitragen würde.

Wenn es gelingt, gerade bei den Grundschülerinnen und Grundschülern die Neugier und die Freude an den Naturwissenschaften zu erhalten, und den Grundschullehrkräften die Angst vor den Erwartungen und den Fragen der kleinen Forscher zu nehmen, kann sehr viel für die Zukunft unserer Gesellschaft getan werden.

Das gemeinsame Anliegen aller Schulen in diesem Projekt, einen wirksamen und zugleich mehrdimensionalen Beitrag zur Nachwuchsförderung im Bereich der Naturwissenschaften – insbesondere der Physik – zu leisten, unterstützt nicht nur die Breitenförderung, sondern damit auch die Spitzenförderung nachhaltig.

#MarktderMoeglichkeiten